Lange habe ich mir überlegt, wie ich am besten die Geschichte des Lambada und des Zouk aus Brasilien beschreiben soll, da diese sehr komplex ist und jeder Befragte wieder eine andere Version der Entstehungsgeschichte erzählt. Ausserdem müssen viele Namen berücksichtigt und erwähnt werden, um allen gerecht zu werden. Es gibt zahlreiche Persönlichkeiten, die den Tanz geprägt und verändert und ihn zu dem gemacht haben, was heute auf der ganzen Welt getanzt wird.
Ich habe mit sehr vielen Profi-Tänzern und Tanzlehrer aus allen Teilen der Welt diskutiert, um ein ganzheitliches Bild dieser Entstehungsgeschichte zu bekommen.
Die Geschichte ist komplex, was natürlich auch damit zusammenhängt, dass in den 90er Jahren Social Media im Internet noch gar nicht existierte: Die Tänzer aus den verschiedenen Städten Brasiliens hatten nur begrenzte Möglichkeit sich auszutauschen, in jeder Stadt entwickelte sich der Tanz ein wenig anders.
Als ehemalige Tanzpartnerin von Adilio Porto hatte ich das Privileg, ihn 3 Jahre lang auf Tourneen zu begleiten, auf denen auch immer wieder die Geschichte des Brazilian Zouk diskutiert und gelehrt wurde. In diesem Bericht fasse ich die Geschichte zusammen, wie ich sie aus diesen verschiedenen Quellen gehört und erlebt habe.
Die Zeit des LAMBADA
Alle sind sich darüber einig, dass sich der brasilianische Tanz ‘Zouk’ (der in der Tanzschule KriZouk in Zürich unterrichtet wird) aus dem Lambada entwickelt hat. Man sagt, dass Lambada aus Bahia, Porto Seguro stammt und sich aus traditionellen, brasilianischen Volksrhythmen aus dem Nordosten von Brasilien entwickelt hat. Lambada wird zu schnellen Rhythmen mit vielen Akzenten und sehr tiefen Cambrés getanzt, ursprünglich am Strand im wunderschönen Bahia, wie man das aus dem Hit 'Chorando se foi' von Kaoma kennt.
Wichtige heute noch sehr wichtige aktiven Tänzer und Organisatoren aus der Zeit Lambada sind unter anderem Didi & Patricia, Braz dos Santos, Berg Dias.
Wie kam es zum Namen 'Brazilian Zouk'?
Lambada wurde unter anderem in den Städten in Brasilien getanzt und unterrichtet. Jedoch war das Unterrichten dieses Tanzes etwas schwierig, einerseits wegen der schnellen und stark akzentuierten Bewegungen und der sehr ungewohnten Bewegungsabläufe. Auch deshalb, weil Lambada in einigen Kreisen als «schmutzig» und nicht gesellschaftsfähig betrachtet wurde. Eine weitere Schwierigkeit war die Tatsache, dass keine neuen Lambada-Lieder mehr produziert wurden, weshalb der Durchbruch des Lambada nie richtig stattgefunden hat.
So wurde Anfang der 90er in Rio de Janeiro, um genau zu sein auf 'Ilha Dos Pescadores', erstmals Zouk getanzt, zur langsameren Zouk-Musik aus der Karibik. Adilio Porto und seine damalige Tanz- und Lebenspartnerin Renata Peçanha haben den Tanz aus dem Lambada entwickelt und als Pioniere an der landesweit renommierten Tanzschule von Jaime Arôxa unterrichtet.
Sie gaben dem Tanz eine neue Struktur, die es ihnen auch erleichterte, den Schülern den Tanz didaktisch einfacher zu vermitteln. Eine erste Anpassung war der Grundschritt, den sie vom Samba de Gafieira übernommen haben (neu: Vorwärts-/Rückwärtsschritte, statt Seitwärtsschritte). Der Lateral-Schritt wurde neu entwickelt, der vom Bolero (gemeint ist der brasilianischen Tanz) abgeleitet wurde. Weiche, sinnliche Bewegungen wurden von Renata Peçanha aus ihrem Jazz-/Contemporary Hintergrund integriert, wie zum Beispiel das Elastic; als nächstes wichtigstes Element wurde der sogenannte 'Bonus' kreiert (heute in Europa auch Boomerang genannt). Neu war auch, dass die Musik interpretiert wurde, was die neuen langsamen Bewegungen ermöglichte.
Da sich der Tanz doch sehr stark vom Lambada unterschied, hat man sich entschieden, ihm einen neuen Namen zu geben. und es gab nichts, was näherläge, als der Name der Musik, zu der sie getanzt haben: Zouk. Die Geburt eines neuen Tanzes - ohne zu wissen, dass es in der Karibik auch schon ein Tanz namens 'Zouk' gab! Aus diesem Grund ist es auch wichtig, zu präzisieren, dass wir 'Brazilian Zouk' tanzen, um Verwechslungen zu vermeiden.
Es ist wirklich spannend mit den Leuten zu sprechen, die damals dabei waren und Zouk von Adilio & Renata das erste Mal gesehen haben, wie fasziniert und gefesselt sie waren von diesem neuen Tanz. Unter ihnen sind bekannte Namen wie Leonardo Neves, Mafie Zouker und Renato Veronezi - um nur ein paar wenige zu nennen.
Das Video (ab 2:28) zeigt die allererste und legendäre Zouk-Choreographie 'Spiritual' mit den Schülern von Adilio & Renata; damals gab es im Lambada keine choreographierten Shows, die Idee war also absolut bahnbrechend.
Renata Peçanha erzählt die Geschichte, wie sie sie erlebt hat (Achtung, du wirst auf eine neue Seite in einem neuen Fenster weitergeleitet)
Renata Peçanha erzählt über die Geschichte wie sie sie erlebt hat (Achtung, du wirst auf eine neue Seite in einem neuen Fenster weiter geleitet);
Im Laufe der Zeit entwickelte sich dieser Stil von Adilio und Renata natürlich weiter, neue Figuren kamen dazu, die Bewegungsabläufe veränderten sich, ebenso die Musik, zu der getanzt wurde. Die für den Lambada typischen Elemente wurden jedoch beibehalten und verleihen dem Zouk bis heute seinen unverwechselbaren Charakter. Diesen Stil aus der Entstehungszeit nennt man heute 'Traditional Brazilian Zouk', er ist quasi der Urahne von zahlreichen Stilen, die heute neben ihm existieren. (mehr zu den verschiedenen heute getanzten Stilen siehe hier - BRAZILIAN ZOUK HEUTE
Weitere Entwicklungen in Brasilien
Auch in anderen Städten Brasiliens wurde der Lambada unterrichtet und ebenfalls verändert. In der Riesenmetropole Sao Paulo wurde der Lambada (auch 'Lambazouk' genannt) sehr stark durch Philip Miha geprägt und in der Szene etabliert. Hier wurde ca. 10 Jahre später vor auch ein ganz anderer Stil, mit mehr Einflüssen aus der Salsa und dem Hip-Hop entwickelt (Renato Veronezi). In Rio de Janeiro wurde später ein Stil mir sehr fliessenden Bewegungen und ohne Cambrés entwickelt und unterrichtet.
Mehr Infos zu den heute getanzten Stilen findest du hier - BRAZILIAN ZOUK HEUTE
Zouk in Europa und weltweit
In Europa wurde der Zouk aus Brasilien das erste Mal in den Niederlanden von Claudio Gomes getanzt und unterrichtet; bis heute ist die dortige Zouk-Szene eine der grössten Europas und hat sehr gute Tänzer. Auch in Barcelona und London ist die Szene sehr gross und divers, ebenso in Prag, Brno und Moskau. In fast allen grösseren Europäischen Städten hat Zouk bereits Fuss gefasst und verbreitet sich fortwährend, in Zürich ist die Szene noch jung, doch sie wächst in rasantem Tempo und erfreut sich praktisch täglich an neuen Tänzern.
Weltweit hat Australien sehr viele Zouk-Tänzer in zahlreichen Städten. In den letzten Jahren hat sich die Szene auch in den USA stark weiterentwickelt, vor allem in New York und Los Angeles, aber mittlerweile auch in Miami und anderen amerikanischen Städten. Sogar in den Metropolen Asiens bilden sich bereits grössere Zouk-Szenen.
Brazilian Zouk ist mittlerweile ein weltweit etablierter Tanz, der immer mehr Fans gewinnt. Täglich aufs Neue fasziniert und bewegt er Tänzerherzen, lockt neue Schüler in die Kurse und lässt die Tanzflächen überquellen. Kongresse werden von Jahr zu Jahr grösser und zahlreicher, die vielen Artisten bereichern die Szene immer wieder mit neuen Figuren und die DJs kommen kaum damit nach, Musiknachschub zu liefern für die vielen motivierten Zoukies. Auch in Zürich ist dieser Boom zu spüren, die Listen der Kursteilnehmer werden länger und für die Partys müssen immer grössere Lokale gefunden werden. Auch in der Westschweiz beginnt sich das Zouk-Fieber auszubreiten.
- Krisztina Balazs, April 2016